Buchstäbliches – H

Hamburgefons heißt das seltsame Wort, das irgendwann dazu auserkoren wurde, die typische Wirkung zusammengefügter Buchstaben einer Schrift zu demonstrieren. Als einzigen Großbuchstaben enthält dieses Wort das H, ein vergleichsweise eigenschaftsloses Zeichen, das aber gerade deswegen das Charakteristische einer Schrift hervorhebt.
Die semitischen Völker verwendeten unseren H-Vorläufer als kehlig gesprochenen Hauchlaut, der Cheth (Zaun) hieß. Tatsächlich ist in der frühen Gestaltung dieses Zeichens eine gitterartige Struktur unverkennbar. Daher vermuteten manche Schrifthistoriker noch ältere Ursprünge des H in der ägyptischen Hieroglyphe für „Sieb“.
In der langen Zeit der semitisch-phönizischen Schriftentwicklung blieben die beiden senkrechten Stämme des Buchstabens weitgehend unverändert, sieht man davon ab, dass sie sich ab dem 8. Jahrhundert gelegentlich leicht nach links neigten. Bereits im 13. vorchristlichen Jahrhundert erschienen sowohl Beispiele für vier waagerechte Querstriche (je einer zwischen den oberen und unteren Stammenden, zwei dazwischen) als auch für die drei, die zunächst für längere Zeit dominierten.

phönizisch (13.-8. Jh.)

griechisch (8.Jh.,5.Jh., klassisch römisch)

Capitalis

Capitalis quadrata

Capitalis rustica

Unziale

Halbunziale

Als die Griechen ihre Schrift von den Phöniziern übernahmen, schrieben sie das Heta oder Eta vorerst als stehendes, mit einem waagerechten Strich unterteiltes Rechteck, das sich bis zum 5. Jahrhundert hielt. Daneben erschien jedoch bereits im archaischen Griechisch des 7. Jahrhunderts die Grundform des uns heute vertrauten H: zwei Senkrechte, die ein waagerechter Strich in der Mitte verbindet.
Sowohl im Etruskischen wie in frühen lateinischen Inschriften wurde die kastenartige Variante benutzt, teilweise sogar noch in den vertikal leicht verschobenen Formen, wie sie im Phönizischen vorgekommen waren. In Rom setzte sich die bis heute verwendete Variante erst im 4. Und 3. Jahrhundert vor Christus endgültig durch. Ab dem 2. Jahrhundert gewannen – neben der weiterhin verwendeten serifenlosen Lapidarform – die Serifen an Bedeutung, die schließlich mit der monumentalen Kapitalschrift ihre klassische Ausprägung erhielten.
Für die Zwecke des alltäglichen Schreibens waren die strengen Vertikalen und Horizontalen nicht geeignet. Bereits bei der Capitalis Rustica stand der linke Stamm isoliert, wohingegen die Waagerechte mit dem rechten Stamm eine in einem Zug geschriebene Einheit bildete. Je schneller und damit flüchtiger das Schreiben wurde, um so mehr rundete sich diese rechte Hälfte zu einem zunächst geknickten, spätestens mit der Unziale durchgezogenen Bogen.
In der Halbunziale verlängerte sich der linke Stamm zur deutlichen Oberlänge und wies häufig eine keulenartige Verdickung auf. Die Vereinheitlichung der Buchstabenformen durch die karolingische Minuskel fixierte das Zeichen mit Oberlänge und leicht nach links eingezogenem Bogen.

angelsächsische Minuskel

karolingische Minuskel

frühgotisch

gotische Buchschrift

rundgotisch

gotische Textur

lombardisches Initial

Bastarda

handschriftliche Kursive

Renaissance- Schriften

Garamond, Renaissance Antiqua

In den gotischen Buchschriften bekam dieser Bogen eine Unterlänge, die nach links weisende angedeutete Serife am oberen Ende des Stammes verwandelte sich in die für die Schriften dieser Zeit typische Gabelung. Für den nun beginnenden Einsatz von Versalien, die den gleichen stilistischen Merkmalen folgten wie die Gemeinen, wurde das H aus der Minuskelform abgeleitet und erhielt zusätzliche Schmuckelemente: links einen senkrechten Stamm, rechts einen weit ausgebauchten, nach unten offenen Bogen.

Beim gemeinen h fällt zu Beginn der Neuzeit die wie ein nach rechts flatterndes Fähnchen wirkende Verlängerung des Stammes auf, die in den Kursivformen der Antiqua von nahezu allen Schreibmeistern der Renaissance verwendet wurde. Ähnlich verhielt es sich mit den gebrochenen Schriften der zahlreichen Bastarda-Formen.
In den Druckschriften der folgenden Jahrhunderte gab es keine bemerkenswerten Veränderungen dieses Buchstabens mehr. Die Antiqua-Varianten behielten H und h in der vertrauten Weise bei, in den gebrochenen Schriften, den Fraktur- wie Unzialformen, schrieb man den Großbuchstaben in der alten, gerundeten Weise. Das gilt ebenso für manche Schreibschriften, während andere den Querstrich als Verbindung von zwei aus den Stämmen gezogenen Bogen darstellen.

Times. Barock-Antiqua

Futura, serifenlose Antiqua