Buchstäbliches – T

Tausende von Jahren ist es hier, dass die früheren Bewohner von Kleinasien dem letzten Buchstaben ihres Alphabets einen sich selbst bezeichnenden Namen gaben: „Taw“ heißt nichts anderes als Zeichen oder Kreuz. Der Name benennt also, was der Buchstabe und seine Gestalt darstellen. Das Kreuz mit dem T besteht darin, dass sich in formaler Hinsicht nicht sehr viel über dieses Zeichen sagen lässt. In den frühen Epochen der Schriftgeschichte geschah wenig mehr, als dass der waagerechte Balken leicht schwankend nach oben wanderte. Diese Position hat er bis in die Gegenwart behalten.

protosinaitisch (15.Jh.v.Chr.)

phönizisch (10.Jh.v.Chr.)

phönizisch (9.Jh.v.Chr.)

phönizisch (8.Jh.v.Chr.)

griechisch (8./7.Jh.v.Chr.)

klassisches Griechisch

prototyrrhenisch

etruskisch

 

römisch (5.Jh.v.Chr.)

römisch (4.Jh.v.Chr.)

römisch (2.-3.Jh.v.Chr.)

römisch (1.Jh.)

Das bereits in der protosinaitischen und kanaanitischen Schrift geschriebene Taw war zunächst orthogonal ausgerichtet, also mit einem senkrechten Stamm versehen, den ein waagerechter Balken in der Mitte durchkreuzte. In der Zeit vom zehnten bis zum sechsten vorchristlichen Jahrhundert setzte die phönizische Schrift diese beiden Elemente in unterschiedlicher Lage und Länge ein: zunächst in der Form eines X mit gleich langen Schenkeln, im folgenden mit horizontalem Balken und diagonal gekipptem Stamm; später näherte sich das Zeichen der Form des christlichen Kreuzes an.

Diese zufällige Ähnlichkeit zwischen Taw und religiösem Symbol spielte übrigens vor allem in der Frühzeit des Christentums eine bedeutende Rolle. Theologen werteten alle Erwähnungen des Zeichens im Alten Testament als Prophezeiung des Messias. Am bekanntesten ist wohl das Buch Hesekiel, Abschnitt 9,4, das davon berichtet, dass die Einwohner Jerusalems mit diesem Buchstaben gekennzeichnet werden sollten.

Die Griechen übernahmen sowohl das Zeichen selbst als auch seinen Namen und ließen es im großen und ganzen unverändert. Der Stamm des „Tau“ blieb vertikal ausgerichtet, der Querbalken kippte zunächst noch leicht nach links oder rechts, bevor er schließlich in der klassischen Periode seine streng waagerechte Position einnahm. Einen leichten Rückfall gab es bei den Etruskern, die das T vorübergehend wieder in der Form eines Kreuzes mit leicht schräg verlaufendem Balken schrieben. Die Römer dagegen verwendeten den Buchstaben von Anfang an in der uns vertrauten Form, wenn sich auch die strenge Horizontale erst im vierten Jahrhundert vor Christus endgültig nachweisen lässt. Aufgrund der Symmetrie des Zeichens brachte auch der Wechsel der Schriftrichtung keine Variationen.

Cap. monum.

Cap. quadrata

Cap. rustica

Unziale

röm. Kursive (1.-4.Jh.)

Unziale (5.Jh.)

gotische Textur

Halbunziale

 

karoling. Minuskel

Textur

Bastarda, 15.Jh

Gutenberg- Textur

Caxton, lombard. Initial

Zwei Formen aus dem römischen Alphabet verdienen Erwähnung: zum einen das mit einer markanten Serife am unteren Ende ausgestattete T der Capitalis Rustica, das sich in alten Texten oft schwer vom l unterscheiden lässt, zum anderen die im vierten Jahrhundert benutzte handschriftliche Kursive, die zum ersten Mal den Stamm zu einem nach rechts offenen Bogen rundete – eine für das nächste Jahrtausend wegweisende Abwandlung.

Während die Unziale der Spätantike sich noch an die römische Capitalis anlehnte, übernahm die weniger offizielle Halbunziale diesen stark gerundeten Stamm, der sich danach sowohl bei der angelsächsischen Minuskel als auch bei fast allen gebrochenen Schriften als typisches Merkmal durchsetzte. Weder die Halbunziale noch die frühen Minuskelvarianten ließen erkennen, dass sich das t einmal zu einem Kleinbuchstaben mit Oberlänge entwickeln würde. Sein Querstrich schloss bis zum 14. Jahrhundert meist auf m-Höhe ab und bildete weiterhin die obere Buchstabenbegrenzung.

Erst mit dem ausgehenden Mittelalter – und zunächst in handschriftlichen Texten – tauchte jene vertraute Form auf, bei welcher der Querstrich den Stamm im oberen Viertel durchkreuzt. In den gotischen Buchschriften bildeten häufig der linke Ausläufer und das obere Ende des Stammes eine dreieckige Spitze, wobei die Länge des nach rechts ragenden Ausläufers in den folgenden Jahrhunderten – und bis in die heutige Zeit – immer wieder variiert.

Vor allem spätere kalligraphische Gestaltungen zeigten den Querstrich, beim kleinen und beim großen Buchstaben, als einen ausladenden und stark verschnörkelten Linienschwung.

Luthersche Fraktur

Schwabacher

Renaissance-Kursive

Caslon Open Face, Barock-Antiqua